Ich war zu Ostern bei meiner Familie und zuvor bei einer Freundin. Und habe mir von beiden erst einmal einen Rüffel eingefangen, weil ich irgendwann mal sagte „… und dann fahre ich heim …“ bzw. “ … bei mir zu Hause …“ Meine Heimat sei doch eigentlich dort, wo ich geboren sei und wo meine Familie heute noch wohne. Zumindest in dieser Region sei ich doch verwurzelt. Stimmt irgendwie. Irgendwie aber auch nicht. Nicht mehr?
Zur Erklärung – ich bin mit 18 Jahren aus meinem Elternhaus ausgezogen um zu studieren – ca. 120 km entfernt. Danach wohnte ich immer rund 100 bis 150 km entfernt von der Familie – nah genug, um an einem Sonntag eine Stippvisite zu machen, und fern genug, um nicht Erwartungen an tägliche Kurzbesuche zu schüren. Mit der Stelle an der Uni bin ich ans andere Ende der Republik gezogen – es trennen uns nun rund 500 km. Dieser Umzug war ein neues Abenteuer. Das ich begeistert angenommen habe.
Aber in letzter Zeit muss ich sagen, dieser Gedanken an „Heimat“ und „zu Hause“ beschäftigt mich.
Ich war am Wochenende auf der Durchreise noch in der Stadt, in und um die ich 10 Jahre (vor meinem aktuellen Abenteuer) lebte – und sie war mir das erste Mal fremd. Die Menschen, die Umgebung. Das erste Mal, dass ich ein „Touristengefühl“ hatte. Selbst im alten Stammcafé kannte ich gerade noch den Chef. Seltsam. Dabei bin ich noch gar nicht so lange weg. Auch die Leute kamen mir fremd vor. Gruslig.
Andererseits hatte ich bei der Rückfahrt zu meinem aktuellen Wohnort tatsächlich das „Heim fahren“-Gefühl. So gesehen nach einer recht kurzen Zeit.
Was ich mich in letzter Zeit vermehrt frage, wie es sich wohl anfühlt, dort zu leben und zu arbeiten, wo man aufgewachsen ist. Wo man alles kennt oder zumindest die Entwicklung beobachten konnte über viele Jahre. Wo man noch frühere Schulfreunde treffen kann. Wo alles vertraut ist. Wo Freundschaften und Familie auch mit räumlicher Nähe verbunden sind – im guten wie im schlechten.
Für mich fühlt sich sowohl meine Heimatstadt inzwischen an vielen Stellen fremd an – als auch eben jene Stadt, in der ich so lange lebte. Die aktuelle Umgebung ist noch nicht ganz vertraut, ich brauche oft noch Navi und muss nach vielen Sachen immer noch fragen (Fachgeschäft X? Facharzt Y? Handwerker Z? Wen am besten? Wo?), dennoch ist mir mein Leben hier im Moment näher als alles andere. Ist das nur eine zeitliche Sache, also eine Sache des zeitlichen Abstands? Habe ich mich so schnell weg vom anderen Ende entwickelt? Wie wäre es, jetzt wieder zurück zu gehen? (davon abgesehen, dass zumindest in meinem Geburtsort keine Arbeitsstellen für mich gäbe) Würde ich mich genauso schnell wieder eingewöhnen? Oder bliebe dieses „Fremdsein-Gefühl“?
Bin ich nur „wurzellose Vagabundin“? Oder anpassungsfähig? Oder merke ich nur nicht, dass was fehlt, weil ich es nicht kenne? Wie fühlt sich das an?
Ja, etwas wirr das Ganze – aber das dreht sich schon länger latent in meinem Kopf – zu Ostern nahmen diese Gedanken Fahrt auf. Aber so was von. Und werden mich wohl auch noch etwas beschäftigen.
Ich denke, das ist von Person zu Person verschieden.
Ich bin mit 20 aus dem Dunstkreis meiner Familie entfleucht und definiere „daheim“ seither als „dort wo mein Computer steht“. Da ich aber alle paar Jahre umziehe, kenne ich mich nirgendwo mehr „richtig“ aus. 😉
Mein Geburtsort ist mir insofern kein daheim, als das ständig alte Leute auf mich zukommen und mir erzählen, ich sähe aus wie mein Opa. O.o
Mein Vater dagegen hat sein Geburtsdorf nie ernsthaft verlassen. Er ist jahrelang täglich 60 km einfach gependelt, nur um weiter in dem Dorf wohnen zu können. Für ihn ist daheim dieses Dorf, nichts anderes.
Allerdings erkenne ich auf dem Weg zu meinen Eltern immer, wenn ich NRW erreicht habe, an den Farben und der Landschaft. Kann ich bis heute nicht erklären. 🙂
Interessant. So gesehen bist du genauso entwurzelt wie ich… Würde ich durch meinen Geburtsort laufen, kämen auch genügend Leute auf mich zu – meine Mutter, Onkel etc. sind dort sehr bekannt und ich trage durchaus Familienähnlichkeit in mir.
Aber daheim fühle ich mich dennoch nicht mehr dort. Keine Ahnung, ob sich das ändern würde, lebte ich längere Zeit wieder dort.
Ich kenne das ebenfalls. Bin als Teenager mit meiner Familie einmal quer durch die Republik gezogen und habe mich am neuen Wohnort sehr schnell sehr viel heimischer gefühlt und mir ist immer bewusster geworden, wie wenig ich den Ort, in dem ich aufgewachsen bin, seine Bewohner und deren Mentalität, mag. Ich bin froh, dort nicht mehr sein zu müssen.
Zu Hause ist für mich jedenfalls hier, wo ich jetzt lebe. Dazu gibt es allerdings noch quasi eine Herzensheimat, wie ich es nenne: Die Region und das Dorf, in dem meine Oma wohnt und wo ich etliche tolle Ferien verbracht habe. Fahre ich dorthin, was entfernungsbedingt nur 1-2 Mal im Jahr vorkommt, empfinde ich ein richtiges Heimatgefühl, inkl. einer innigen Verbundenheit zu dieser Region, ihren Bewohnern und deren Mentalität.
Allerdings fahre ich dann auch immer wieder gerne nach hause, also dorthin, wo ich wohne. (Und da ist es dann immer die Durchquerung des Elbtunnels, die in mir so ein „Geschafft! Zuhause“-Gefühl auslöst.)
Kompliziert, was? 😀
Wenn es einfach wäre, wäre es nicht annähernd so interressant. 😀
(Und in diesem Fall bin ich echt froh, dass Menschen so verschieden sind)
Zu Hause ist da, wo mein Bett steht. Ich bin zwar nie groß weggekommen (um Umkreis von 50km geblieben), aber auch wenn ich im Urlaub bin, erwische ich mich beim Satz „gehen wir heim?“ – gemeint ist damit aber „ins Hotel“ oder „ins Ferienhäuschen“. Sohnemann_groß prägte im letzten Urlaub den Begriff „nach Hause im Urlaub“ 😀
Dagegen finde ich die Leute immer schräg, die 20Jahre nach dem Auszug von zu Hause immer noch sagen „ich fahre übers WE heim“. Da bin ich dann immer verwirrst, weil… „wieso fährst du heim? du wohnst doch hier?!?“
Ach schön, dass ich da nicht alleine bin … ich werde manchmal angeguckt, wenn ich unterwegs sage „ich gehe heim“: „wie, du fährst zurück nach [Wohnort], warum?“ „Nein, ins Hotel…“
Ich dachte schon, das käme von meinem Zugvogeltum…
Im Moment habe ich schon Probleme, adäquat auf „wo kommst du eigentlich her?“ zu antworten. Nenne ich die Heimatstadt, in der ich geboren bin, aber die ich mit 18 verließ? Oder die Stadt, in der ich die letzten 15 Jahre verbrachte, die aber nichts mit Ursprung, eher mit lange Zwischenstation zu tun hat?
Ach ja, das mit „am WE heim“ finde ich spätestens nach 2, 3 Jahren bzw. wenn man irgendwo „fest“ wohnt, mehr als schräg. Daher sage ich dann „ich fahre zu meinen Eltern nach [Heimatstadt]“.